Kann man ein Schneckenhaus reparieren?
Kniiirsch – eine leise Ahnung, gefolgt von einem vorsichtigen Blick unter den Schuh und dann der grausigen Gewissheit: das war eine Schnecke, auf die man da getreten ist! Das haben wir wohl alle schon einmal erlebt, egal wie sehr wir uns beim Spazieren Gehen oder der Gartenarbeit auch vorgesehen haben. Doch kommt Hilfe in jedem Fall zu spät? Oder kann man vielleicht doch noch etwas für die Schnecke tun? Kann man ein Schneckenhaus reparieren? Diesen Fragen ist Schneckenfan und -halterin Sarah (schneckenfrau_) durch eine besondere Begegnung erst kürzlich wieder auf den Grund gegangen.
Quelle: Canva
Crash oder das Innerste einer Schnecke
Es war ein warmer Tag im Juni als ich sie mitten auf dem Gehweg entdeckte: eine kleine, sehr wankend umherkriechende Bänderschnecke. Ich nahm sie vorsichtig hoch und verstand beim näheren Hinsehen, warum: ihr filigranes, durchsichtiges, orangenes Häuschen war so stark beschädigt, dass ganze Gehäusestücke weggebrochen waren und ich in ihr Innerstes gucken konnte.
Ihr Innerstes? Ja, denn Schnecken bestehen aus mehr als bloß ihrem sichtbaren Kopf, dem Fuß und dem Gehäuse! Im Inneren der Schale direkt auf dem Rücken liegt der sogenannte Eingeweidesack des Tiers. Dieses sackartige Gebilde beinhaltet alle lebenswichtigen Organe der Schnecke – ein bisschen so wie der Brustkorb beim Menschen. Auch die Schnecke hat wie wir ein unter anderem ein Herz, eine Leber, eine Niere und einen Magen! Geschützt wird der Eingeweidesack samt den Organen natürlich einmal durch das Gehäuse selbst aber auch den Mantel, eine robuste Haut, die an der Gehäuseöffnung ihren Lauf nimmt und ins Innere der Schnecke führt. Dieser Mantel schützt die Schnecke zusammen mit dem Gehäuse vor Austrocknung.
Durch meine intensive Beschäftigung mit Schnecken in den letzten Jahren und die Aufnahme von diversen, „angebrochenen“ Findelschnecken konnte ich in der Praxis ein paar Dinge lernen, die mir verrieten, dass es für meine unverhoffte Asphaltbegegnung Crash (so taufte ich die Kleine später) noch nicht zu spät war.
Eine zweite Chance
Ähnlich wie bei uns Menschen heilen auch bei Schnecken äußere Verletzungen oftmals besser, als Innere. Wenn also lediglich kleine Gehäuseschäden vorhanden sind, stehen die schneckischen Heilungschancen per se gut. Anders verhält es sich wiederum, wenn auch ihr Körper bzw. ihre Organe verletzt wurden. Das zeigt sich unter anderem durch Herausquellen dieser aus dem Eingeweidesack bzw. dem Schneckengehäuse und / oder durch das Austreten von Wasser. Die Verletzung ist in diesem Fall fatal, denn davon wird sich die Schnecke nicht erholen können, da sie so letztlich austrocknet.
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Ein Blick auf Crash verriet mir aber, dass bei ihr ersteres der Fall war: Zwar war das Gehäuse zum größten Teil weggebrochen, der darunter liegende Eingeweidesack war aber wie durch ein Wunder intakt geblieben. Vielleicht hatte sie eine Amsel gepackt und im Flug wieder fallen gelassen? Vorsichtig trug ich sie nach Hause und setzte sie in einen kleinen, mit Terrariumerde und Blättern gefüllten, luftdurchlässigen Behälter, stellte diesen an einen schattigen Ort und freute mich darauf, Zeugin ihrer beeindruckenden Selbstheilungskünste zu werden.
Schneckenhaus reparieren – Selbstheilungskünstlerin Schnecke
Grundsätzlich habe ich festgestellt: Das Wichtigste, was eine angebrochene Schnecke benötigt, um sich selbst zu heilen, sind Ruhe, Futter, Feuchtigkeit und Kalk. Die letzeren Beiden sind kein Wunder, denn Feuchtigkeit und Kalk sind lebenswichtig für die Schnecke – besteht sie selbst doch zum größten Teil aus Wasser und ihr Gehäuse überwiegend aus Kalk. Daher sollte letzteres ihr entsprechend zugefüttert werden; ich habe gute Erfahrung mit gemahlenen Eierschalen oder Sepia-Schalen gemacht. Zu meiner Freude nagte Crash, jedes mal wenn ich mit dem Blumensprüher ihren Behälter und sie vorsichtig mit Wasser einsprühte, tag ein tag aus brav abwechselnd entweder an ihrer Gurkenscheibe oder an ihrem Sepiastück. Bereits nach wenigen Tagen konnte ich beobachten, dass sich die Bruchstelle langsam mit einer filigranen Schalenschicht überzog. Wie lange der Selbstheilungsprozess einer Schnecke letztlich dauert, ist generell absolut individuell. In der Regel waren es bei meinen Findelschnecken maximal 4 Wochen. Auch bei Crash war nach dieser Zeit die Bruchstelle erfolgreich geschlossen und ausgehärtet.
Quelle: Sarah
Jetzt hat die Kleine nicht nur ein schönes, stattliches Gehäuse, sondern ist auch ein ordentliches Stück gewachsen. Bald wird es Zeit, Crash wieder in die Freiheit zu entlassen. Ich muss zugeben, dass es mir nicht ganz so leicht fällt, denn ich habe die letzten Jahre festgestellt: Eine Schnecke bei der Heilung zu unterstützen ist eine ganz besondere, verbindende Erfahrung!
Die Autorin Sarah zeigt auf ihrem Instagram-Account schneckenfrau_ ihre Leidenschaft für Schnecken in Wort & Bild. Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, zu verdeutlichen, wie faszinierend die unterschätzten Schleimer sind. Wenn sich Sarah nicht gerade ihren liebsten Weichtieren widmet, ist sie als freiberufliche Texterin, Naturmentorin und angehende Gartengestalterin im Einsatz.
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Quellen:
https://www.weichtiere.at/Schnecken/weinbergschnecke.html?/Schnecken/land/weinberg/koerperbau.html
https://utopia.de/ratgeber/zertretenes-schneckenhaus-reparieren-so-gehts_247982/